Ida - Teil 5
Der November war auch in München grau, der Hochnebel ließ die Sonne
nicht durch. Ab und an regnete es, diesen furchtbaren Sprühregen, gegen den
kein Regenschirm half, der in jede Kleideröffnung kroch, die er finden konnte.
Sie hatte mit Hannah und Max gefrühstückt und Ida hatte sich gefragt, ob es
unhöflich war, bereits jetzt zu fragen, ob sie Zuhause anrufen durfte. Sie
wollte nur wissen, ob es Mama und Papa gut ging, auf keinen Fall hätte sie
darum gebeten, dass die beiden sie sofort wieder abholten. Das würde sie erst
nach dem Buchladen machen. Max betrat den Laden vor ihr und sofort schlug Ida
der Geruch von alten Büchern entgegen. Neue Bücher waren wie Babys, die rochen
alle gleich und sehr oft rochen sie einfach nach gar nichts. Aber alte Bücher…
alte Bücher konnten nach Dachböden riechen, das war ein sehr warmer Geruch oder
aber sie müffelten nach schimmeligen Keller, den Geruch mochte Ida nicht so
sehr. In Julians Laden ergab das eine Mischung aus feuchtem Keller und warmen
Dachboden und verstaubter Bibliothek und ganz leicht darüber ein wenig frischer
Leim aus der Fabrik. Sie blieb in der Mitte des Ladens stehen, so dass Hannah
beinah auf sie aufgelaufen wäre. Sie lachte und schob Ida zu Julian hin, der
hinter seiner Theke hervorgekommen war. Ida hatte schon gestern Abend
beschlossen, dass sie Julian mögen würde - wer einen Buchladen besaß, musste
ein guter Mensch sein. Er hatte ganz blonde Haare, so blond, dass sie fast weiß
waren und er trug eine Brille mit einem dicken schwarzen Rand, die er nun
abnahm.