Tür II

 

Sie wusste genau, was sie hinter dieser Tür erwartete. Und dennoch: Sie konnte sich einfach nicht überwinden, die Türklinke nach unten zu drücken und das Zimmer zu betreten. Sie trat sogar einen Schritt von der Tür zurück. Die Tür weiß, die Klinke grau, genau wie die Fliesen am Boden. Und die Wände? Weiß, ab und an standen Stühle an der Wand und billige Kunstdrucke hingen darüber und der übliche Ficus stand neben den Stühlen, der in keinem trostlosen Gebäude dieser Welt fehlen durfte.

Er war allein in diesem Zimmer, das andere Bett war leer. Am Fenster lag er, er konnte hinausschauen in den Park und er hatte ihr gestern erzählt, dass die Amseln beobachtet hatte, die in der Akazie vor seinem Fenster brüteten. Sie sangen so schön, hatte er gesagt und dabei gelächelt. Und dass er es schade fand, dass er das Fenster nicht komplett öffnen durfte, denn das durften nur die Schwestern und die Pfleger.

Sie trat noch einen Schritt von der Tür zurück und inzwischen konnte sie die Wand im Rücken spüren. Es war ein Moment der Schwäche, sich gegen die Wand zu lehnen, den sie sich erlaubte. Sie wusste, dass sie heute nicht durch diese Tür gehen konnte, sie konnte nicht schon wieder die Geschichte von der Amsel hören, die er ihr bei den letzten vier Besuchen schon erzählt hatte. Vor allem aber ertrug sie die Frage nicht mehr, die er jedes Mal stellte: „Kenne ich Sie von irgendwo her? Sie kommen mir so bekannt vor.“