Abschied I

 

Ihre Füße gruben sich in den feinen Sand. Die Sonne brannte auf sie herunter, ihre Haut war mindestens so heiß wie der Sand unter ihren Fußsohlen. Ihr Blick ging gerade aus – hinaus aufs Meer. Sie sah Wellen, die sich auftürmten, um dann krachend und donnernd am Ufer zu brechen. Das Geräusch hallte in ihren Ohren, ihrem Körper wider, es übertönte die Möwen am Himmel und die Gedanken in ihrem Kopf. Weiter draußen glitzerte das Meer als habe jemand einen Topf mit goldener Farbe ausgeschüttet. Sie holte tief Luft, roch das Salz, schmeckte das Salz auf ihrer Zunge. Der Wind zerrte an ihr, zerzauste ihre Haare, wollte sie vom Ufer wegtreiben und dann doch wieder hinausziehen aufs Meer, er war genauso unentschlossen wie sie selbst. Oder war er wütend, weil sie sich weder in die eine noch die andere Richtung bewegte?

Sie breitete die Arme aus und legte den Kopf in den Nacken. Jetzt sah sie nur noch den blauen Himmel über sich, reines blau, keine Wolke, kein Kondensstreifen, der den Himmel zerkratzte, keine Möwe, die ihn durchstieß.

Sie ließ die Arme wieder sinken, den Kopf ebenso, sah wieder hinaus aufs Meer. Es hatte Jahre gedauert, hierher zu kommen. Es würden wieder Jahre vergehen bis sie erneut hierher kam. Und bis dahin, das wusste sie, musste sie diesen Moment in sich tragen und ihn aufbewahren. Sie würde ihn an schlimmen Tagen hervorholen, ihn staunend betrachten, die Wärme, das Salz, den Wind spüren und genau darauf achten, dass sie kein Detail vergaß. Abschied nehmen hieß auch immer Wiederkommen, selbst wenn man nicht wusste, wann das sein würde. Aber das Meer hatte Geduld, es wartete auf sie, das wusste sie. Und dann würde sie dem Wind und den Wellen nachgeben und hineintauchen in das Gold und die brechenden Wellen nur noch dumpf hören, weil unter Wasser alles leiser war.